da in einem anderen nähforum seit ein paar tagen eine diskussion um das "Bernina Overlockbuch" läuft und ich mir eines der dort erwähnten und von anderen empfohlenen overlockbücher gekauft habe, mein eindruck davon:
es heißt "Richtig nähen mit Overlock- und Coverlock-Maschinen" (Autorinnen: Christelle Beneytout, Sandra Guernier) und ist auf deutsch im Stiebner verlag erschienen (3. aufl., 2014)t. es ist umfangreicher, als meine beiden anderen overlockbücher und enhält sehr viele anwendungsbeispiele (verschiedene arten, bündchen anzunähen, verschiedene arten von biesen, verschiedene arten, spitzen anzunähen, wie man mit der overlock einen reißverschluss einnähen (!) kann usw.)
die autorinnen erklären auch, wie man manche besondere sticharten (zb "wave stich", "langettenstich") mit maschinen nachahmen kann, die diese stiche nicht eingebaut haben.
manches ist geschmackssache (zb flatlocknähte mit eingefädelten borten) und diverse "ziernähte"
manches finde ich etwas gekünstelt: zb zeigen sie eine französische naht mit der overlock: dh die teile mit der 3-faden overlocknaht zusammenfügen, dann wenden, bügeln und die 2. naht mit der normalen nähmaschine. bei transparenten stoffen scheint dann aber die overlocknaht durch, bei feinen stoffen drückt sie sich beim bügeln durch. französische nähte sind genau dazu da, dass man von der versäuberung nichts sieht. außerdem ist das versäubern der kante unnötig, wenn sie durch die zweite naht eingeschlossen wird.
und manches ist für nähanfängerinnen irreführend: zb zeigt sie das zusammennähen einer hose so: längskanten mit overlock versäubern, innere beinnähte mit der normalen nähmaschine schließen, nahtzugaben auseinander bügeln. dann die teile rechts auf rechts flach zusammenlegen und die schrittnaht mit der nähmaschine nähen und die nahtzugaben danach zusammengefasst mit der overlock versäubern und zur seite bügeln.
so funktioniert das erstens nur bei hosen ohne vorderverschluss, also kleinkinderhosen, leggings, damenpyjamas. auf den fotos ist aber eine stoffhose zu sehen. zweitens kann man eine so zusammen genähte hose nur schwer enger und gar nicht weiter machen, denn die nahtzugabe wurde ja abgeschnitten. man muss also genau wissen, was man tut.
die kettenstichnaht wird als besonders haltbare naht für hosen, insbesondere die schrittnaht empfohlen. dass sie besonders leicht aufgeht, wenn man am richtigen fadenende zieht (oder hängen bleibt), schreiben die autorinnen nicht dazu.
auf seite 91 ff erklären sie unterschiedliche arten von raffungen und gummizügen (durch anziehen eines fadens, mit differenzial, mit kräuselfuß, mit gummibandfuß). dabei ist die erste methode ähnlich wie mit der nähmaschine: nähen und dann an einem faden ziehen. vorteil: man kann die raffung gut dosieren. sie verraten aber nicht, an welchem faden man ziehen muss und bei einer 3- oder 4-faden-überwendlichnaht ist das nicht unbedingt selbsterklärend und schon gar nicht egal. (wenn man an den greiferfäden zieht, rollt sich die nahtzugabe ein.)
ärgerlich sind fehler, wo entweder die übersetzerinnen nicht wussten, was gemeint ist oder nicht korrekturgelesen wurde (oder beides), so steht bei den bandführungen, dass die für 2 nadeln das band nur oben einschlägt, die für 3 nadeln oben und unten. (???)
die terminologie ist ein bisschen unscharf, so werden cover-maschinen und cover-stiche als coverlock-maschinen und -stiche bezeichnet. (aber das machen die hersteller und händler zt auch). an einer stelle wird solu-vlies als einlage bezeichnet.
auf seite 25 gibt es eine tabelle von nadelstärken und garnstärken für diverse stoffarten. die reicht von nadelstärke 50 bis 150!! die meisten overlockmaschinenhersteller empfehlen 80 und 90 (dünnere nadeln halten die belastung nicht aus und dickere machen probleme im zusammenspiel mit den greifern).
auf seite 17 steht, dass man für materialien, für die es keine spezial-overlocknadeln gibt, auf "normale" nadeln ausweichen muss und dann als beispiele jersey-, stretch-, jeans-, topstitch-, metallic-, stick-, microtex- und quiltnadeln. ... das kann bei manchen maschinen funktionieren, andere produzieren nur mit den speziellen overlocknadeln brauchbare stiche und wenn man pech hat, schleift ein greifer an der (falschen) nadel und die maschine muss in die reparatur. einen hinweis, dass man solche nadeln vorsichtig ausprobieren soll (zuerst mit dem handrad drehen, wenn dabei nichts hakt und die fäden richtig verschlungen werden, zunächst ganz langsam mit dem motor ...) und dass es eben nicht mit allen maschinen geht, fände ich schon angebracht
die beschreibung der füßchen und sonstigen zubehörteile wurde offenbar einfach von den herstellerseiten übernommen, keinerlei anmerkungen, welche wofür sinnvoll sind und welche man sich auch ersparen kann. detto die "beschreibungen" diverser overlock-, cover- und kombimaschinen. da stehen einfach ein paar punkte aus dem werbefolder neben den fotos.
beim bandnähfuß mit bandabroller (das ist eine halterung, die oben an der maschine angebracht wird und von der aus das mitzufassende band laufen zugeführt wird) steht dabei, dass es "besonders praktisch zum Einnähen eines Vliesbandes an Schulter oder Armausschnitt" ist. das im zubehörhandel erhältliche vliesband ist ein aufbügelband - wird also aufgebügelt, bevor man näht und nicht nachher. außerdem behindert das abrollende band die sicht auf messer und nadel, gerade bei im bogen verlaufenden nähten (armausschnitt) stört das. ich wüsste also gerne, ob die autorinnen ausprobiert haben, was sie schreiben weiter hinter im buch schreiben sie übrigens, dass viele arbeiten auch ohne spezialfuß funktionieren.
eine kleinigkeit, aber auch störend: einige der nahtproben sind mit regenbogenfaden genäht und fotografiert. sieht gut aus, erleichtert aber nicht das erkennen von einstellungsfehlern. (wartung und fehlerbehebung sind überhaupt sehr knapp behandelt.)
zusammenfassend: viele brauchbare tipps und anwendungshinweise, auf die man sonst nicht gekommen wäre, aber auch manch haarsträubender blödsinn. kritisches lesen vor dem befolgen der tipps ist also angebracht.