richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Alles zum Thema Schnittmuster, ob Schnittzeitschriften oder Bücher wird hier diskutiert.

richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon ju_wien » 04.04.2015 09:52

da in einem anderen nähforum seit ein paar tagen eine diskussion um das "Bernina Overlockbuch" läuft und ich mir eines der dort erwähnten und von anderen empfohlenen overlockbücher gekauft habe, mein eindruck davon:

es heißt "Richtig nähen mit Overlock- und Coverlock-Maschinen" (Autorinnen: Christelle Beneytout, Sandra Guernier) und ist auf deutsch im Stiebner verlag erschienen (3. aufl., 2014)t. es ist umfangreicher, als meine beiden anderen overlockbücher und enhält sehr viele anwendungsbeispiele (verschiedene arten, bündchen anzunähen, verschiedene arten von biesen, verschiedene arten, spitzen anzunähen, wie man mit der overlock einen reißverschluss einnähen (!) kann usw.)

die autorinnen erklären auch, wie man manche besondere sticharten (zb "wave stich", "langettenstich") mit maschinen nachahmen kann, die diese stiche nicht eingebaut haben.

manches ist geschmackssache (zb flatlocknähte mit eingefädelten borten) und diverse "ziernähte"

manches finde ich etwas gekünstelt: zb zeigen sie eine französische naht mit der overlock: dh die teile mit der 3-faden overlocknaht zusammenfügen, dann wenden, bügeln und die 2. naht mit der normalen nähmaschine. bei transparenten stoffen scheint dann aber die overlocknaht durch, bei feinen stoffen drückt sie sich beim bügeln durch. französische nähte sind genau dazu da, dass man von der versäuberung nichts sieht. außerdem ist das versäubern der kante unnötig, wenn sie durch die zweite naht eingeschlossen wird.

und manches ist für nähanfängerinnen irreführend: zb zeigt sie das zusammennähen einer hose so: längskanten mit overlock versäubern, innere beinnähte mit der normalen nähmaschine schließen, nahtzugaben auseinander bügeln. dann die teile rechts auf rechts flach zusammenlegen und die schrittnaht mit der nähmaschine nähen und die nahtzugaben danach zusammengefasst mit der overlock versäubern und zur seite bügeln.

so funktioniert das erstens nur bei hosen ohne vorderverschluss, also kleinkinderhosen, leggings, damenpyjamas. auf den fotos ist aber eine stoffhose zu sehen. zweitens kann man eine so zusammen genähte hose nur schwer enger und gar nicht weiter machen, denn die nahtzugabe wurde ja abgeschnitten. man muss also genau wissen, was man tut.

die kettenstichnaht wird als besonders haltbare naht für hosen, insbesondere die schrittnaht empfohlen. dass sie besonders leicht aufgeht, wenn man am richtigen fadenende zieht (oder hängen bleibt), schreiben die autorinnen nicht dazu.

auf seite 91 ff erklären sie unterschiedliche arten von raffungen und gummizügen (durch anziehen eines fadens, mit differenzial, mit kräuselfuß, mit gummibandfuß). dabei ist die erste methode ähnlich wie mit der nähmaschine: nähen und dann an einem faden ziehen. vorteil: man kann die raffung gut dosieren. sie verraten aber nicht, an welchem faden man ziehen muss und bei einer 3- oder 4-faden-überwendlichnaht ist das nicht unbedingt selbsterklärend und schon gar nicht egal. (wenn man an den greiferfäden zieht, rollt sich die nahtzugabe ein.)

ärgerlich sind fehler, wo entweder die übersetzerinnen nicht wussten, was gemeint ist oder nicht korrekturgelesen wurde (oder beides), so steht bei den bandführungen, dass die für 2 nadeln das band nur oben einschlägt, die für 3 nadeln oben und unten. (???)

die terminologie ist ein bisschen unscharf, so werden cover-maschinen und cover-stiche als coverlock-maschinen und -stiche bezeichnet. (aber das machen die hersteller und händler zt auch). an einer stelle wird solu-vlies als einlage bezeichnet.

auf seite 25 gibt es eine tabelle von nadelstärken und garnstärken für diverse stoffarten. die reicht von nadelstärke 50 bis 150!! die meisten overlockmaschinenhersteller empfehlen 80 und 90 (dünnere nadeln halten die belastung nicht aus und dickere machen probleme im zusammenspiel mit den greifern).

auf seite 17 steht, dass man für materialien, für die es keine spezial-overlocknadeln gibt, auf "normale" nadeln ausweichen muss und dann als beispiele jersey-, stretch-, jeans-, topstitch-, metallic-, stick-, microtex- und quiltnadeln. ... das kann bei manchen maschinen funktionieren, andere produzieren nur mit den speziellen overlocknadeln brauchbare stiche und wenn man pech hat, schleift ein greifer an der (falschen) nadel und die maschine muss in die reparatur. einen hinweis, dass man solche nadeln vorsichtig ausprobieren soll (zuerst mit dem handrad drehen, wenn dabei nichts hakt und die fäden richtig verschlungen werden, zunächst ganz langsam mit dem motor ...) und dass es eben nicht mit allen maschinen geht, fände ich schon angebracht

die beschreibung der füßchen und sonstigen zubehörteile wurde offenbar einfach von den herstellerseiten übernommen, keinerlei anmerkungen, welche wofür sinnvoll sind und welche man sich auch ersparen kann. detto die "beschreibungen" diverser overlock-, cover- und kombimaschinen. da stehen einfach ein paar punkte aus dem werbefolder neben den fotos.

beim bandnähfuß mit bandabroller (das ist eine halterung, die oben an der maschine angebracht wird und von der aus das mitzufassende band laufen zugeführt wird) steht dabei, dass es "besonders praktisch zum Einnähen eines Vliesbandes an Schulter oder Armausschnitt" ist. das im zubehörhandel erhältliche vliesband ist ein aufbügelband - wird also aufgebügelt, bevor man näht und nicht nachher. außerdem behindert das abrollende band die sicht auf messer und nadel, gerade bei im bogen verlaufenden nähten (armausschnitt) stört das. ich wüsste also gerne, ob die autorinnen ausprobiert haben, was sie schreiben weiter hinter im buch schreiben sie übrigens, dass viele arbeiten auch ohne spezialfuß funktionieren.

eine kleinigkeit, aber auch störend: einige der nahtproben sind mit regenbogenfaden genäht und fotografiert. sieht gut aus, erleichtert aber nicht das erkennen von einstellungsfehlern. (wartung und fehlerbehebung sind überhaupt sehr knapp behandelt.)

zusammenfassend: viele brauchbare tipps und anwendungshinweise, auf die man sonst nicht gekommen wäre, aber auch manch haarsträubender blödsinn. kritisches lesen vor dem befolgen der tipps ist also angebracht.

ju_wien
Co-Chief
 
Medaille: medaille
Beiträge: 4139
Bilder: 83
Wohnort: 1210 Wien

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon stecknadel » 04.04.2015 11:13

Hm, insgesamt klingt es, als könnte man auf dieses Buch doch eher verzichten, wenn man nicht deine Vorkenntnisse mitbringt. Schade.
Danke für die ausführliche Besprechung!
Kannst du denn ein anderes, besseres Buch zur Thematik empfehlen?
Benutzeravatar
stecknadel
Moderatorin
 
Beiträge: 4659
Bilder: 19
Wohnort: weinviertel

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon ju_wien » 04.04.2015 12:20

ich glaube, für den einstieg ins overlocken ist das buch von gaby seeberg-wilhelm am besten. "Overlock - Die esten Stiche". sie zeigt die dinge, mit denen anfänger/innen sich am meisten herumschlagen, sehr genau: wie fädelt man ein? wie erkenne ich, welcher faden zu fest oder zu locker ist? wie macht man schöne ecken, anfänge, enden, kurven? usw. danach gibt es einen abschnitt mit werkstücken, die schritt für schritt erklärt werden (shirts mit kurzen und langen ärmeln, ein rollkragenpully, ein rock, eine sweatjacke, servietten, ein schal ... die schnitte sind auf der beilage im buch. und ganz hinten gibt es noch einen abschnitt wartung und troubleshooting (rand rollt sich ein, fadenknödel, dicke nahtkreuzungen ...) für dich wird wahrscheinlich nichts neues mehr enthalten sein, aber für anfänger_innen finde ich es sehr gut.

"Das Grundlagenbuch Overlock. Techniken Tipps und Tricks! von Gudrun Schillak und Michael Weinreich erklärt die technik auch sehr gut. wie funktionieren overlocks und covermaschienen? wie unterscheiden sie sich von nähmaschinen? die sticharten und die richtige fadenspannung und sonstige einstellungen sind auch sehr genau erklärt. im praxisteil dann verschiedene nähte an schlitzen, rundungen, ecken, anfang, ende, arbeiten mit nahtband. bei den nähbeispielen wird zwar zb gezeigt, wie man kleidungsstücke auf verschiedene art und weise zusammennähen und verzieren kann, aber die schnitte sind nicht dabei. man kriegt also viele ideen, muss für die konkrete ausführung aber noch schnitte beschaffen. ganz hinten ist dann noch ein abschnitt über optionales zubehör und troubleshooting.

die 3 bücher ergänzen sich ganz gut, aber wenn ich nur geld für eines ausgeben will, würde ich das von gaby seeberg-wilhelm nehmen.

auf englisch gibt es natürlich viel mehr bücher. "creative serging" wurde ein paarmal empfohlen - nicht unbedingt für einsteiger_innen, aber für leute, die mehr mit ihrer overlock machen wollen (oder mehr zeit totzuschlagen haben ....) ich habe es noch nicht gesehen.

das buch, das ich oben beschrieben habe, enthält auch viele gute ideen und tipps, aber die gravierenden fehler sind halt ärgerlich (umso mehr, als das bereits die 3. auflage ist, man den einen oder anderen fehler also schon ausbessern hätte können).

ju_wien
Co-Chief
 
Medaille: medaille
Beiträge: 4139
Bilder: 83
Wohnort: 1210 Wien

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon stecknadel » 04.04.2015 13:31

Danke!

Ich habs mir jetzt mal auf Amazon angesehen. Naja, Einfädeln kann ich eigentlich schon, wenn auch nur meine eigene Maschine, wie ich bei einer Freundin schnell gemerkt habe.
(Seeberg-Wilhelm hat auch ein Quilt-Buch geschrieben, da musste ich gleich schauen, aber die Bewertungen waren nicht überzeugend.)
Sicher gibt es auch bei den Grundlagen noch einiges zu lernen für mich ... aber diese anderen Dinge haben doch ganz interessant geklungen, die du beschrieben hast - Wave Stich, Flatlocknähte ... vielleicht nehme ich mir mal auf einer Zugfahrt Zeit und schaue, was es da so auf Englisch gibt.
(Normalerweise mag ich sowas lieber auf Deutsch, aber ins Overlocken bin ich sehr mühsam auf Englisch eingestiegen, weil ich die Maschine in England bestellt hatte.)

Das oben genannte Bernina-Overlock-Buch hat ja einen sensationellen Preis ... es beschreibt wohl alles nur für Bernina-Overlocks?
Benutzeravatar
stecknadel
Moderatorin
 
Beiträge: 4659
Bilder: 19
Wohnort: weinviertel

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon ju_wien » 04.04.2015 14:14

das bernina buch kenne ich nicht näher. ich habe aber irgendwo in den weiten des internet eine englische fassung gefunden (die von bernina usa herausgegeben wurde, also nicht sicher, ob es eine übersetzung der deutschen fassung ist oder umgekehrt oder ob die beiden handbücher unabhängig von einander geschrieben wurden). das ist ein "arbeitsbuch". da gibt es hinweise für bestimmte sticharten und einstellungen und daneben kann man sein eigenes übungsstück reinkleben und notizen dazu schreiben. vieles ist allgemein gültig, aber die konkreten einstellungsdaten gelten natürlich nur für bernina maschinen (und da wahrscheinlich auch nur für bestimmte modelle). 50 euro würde ich, glaub ich, nicht dafür ausgeben, nicht einmal wenn es gedruckt und gebunden ist und groß bernina drauf steht.

die anderen bücher kannst du dir alle bei mir anschauen. ich glaub, du wirst dir daheim ein paar tage urlaub nehmen müssen *gg*

ju_wien
Co-Chief
 
Medaille: medaille
Beiträge: 4139
Bilder: 83
Wohnort: 1210 Wien

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon stecknadel » 04.04.2015 14:36

Ein paar Tage? *rofl*
Benutzeravatar
stecknadel
Moderatorin
 
Beiträge: 4659
Bilder: 19
Wohnort: weinviertel

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon ju_wien » 04.04.2015 15:10

naja: coverlock 3.0 testen, eventuell auch die babylock coverstitch, wenn ich denn irgendwann einmal in die nähinsel fahre und sie abhole, 3 overlockbücher, alle anderen nähbücher, kaffee oder tee trinken, fachsimpeln ...

ju_wien
Co-Chief
 
Medaille: medaille
Beiträge: 4139
Bilder: 83
Wohnort: 1210 Wien
nadelkissen
ju_wiens Beitrag gefällt:


Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon stecknadel » 04.04.2015 15:28

Ich kann es mir eh vorstellen, vom Bedarf her. ;)
Nur bei den Möglichkeiten wirds schwierig.
Benutzeravatar
stecknadel
Moderatorin
 
Beiträge: 4659
Bilder: 19
Wohnort: weinviertel

Re: richtig nähen mit overlock- und coverlock-maschinen"

Beitragvon cucire » 05.04.2015 15:55

du könntest doch eine rezension schreiben.
besonders ärgerlich finde ich persönlich, dass der eindruck erweckt wird, dass alle nadelstärken passen.
"A really well-made buttonhole is the only link between Art and Nature"
Oscar Wilde
Benutzeravatar
cucire
 
Medaille: medaille
Beiträge: 1110
Bilder: 1
Wohnort: mit Blick auf den Uhrturm
nadelkissen
cucires Beitrag gefällt:



Zurück zu Schnittmuster, Zeitschriften und Bücher

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder